Unter Strom und ständig online: Das Gehirn zwischen Reizflut und Multitasking

16

Jul

2015

In der digitalen Welt von heute kommunizieren wir rund um die Uhr, sind ständig erreichbar, und stehen unter einer immensen Reizflut. Facebook, Twitter und What’s app stehlen uns permanent Aufmerksamkeit und fragmentieren unser Denken und Handeln. Was passiert mit uns, wenn wir permanent online sind und keine Ruhephasen mehr haben? Wir wirkt sich die ständige […]

ebodenmueller 07:25

In der digitalen Welt von heute kommunizieren wir rund um die Uhr, sind ständig erreichbar, und stehen unter einer immensen Reizflut. Facebook, Twitter und What’s app stehlen uns permanent Aufmerksamkeit und fragmentieren unser Denken und Handeln. Was passiert mit uns, wenn wir permanent online sind und keine Ruhephasen mehr haben? Wir wirkt sich die ständige Zerstreutheit auf unsere psychische Gesundheit und unsere geistige Leistungsfähigkeit aus? Können uns Medienkonsum und Multitasking denn wirklich krank machen?

Anlässlich des Unternehmerabends der Bauindustrie NRW stellte Dr. Volker Busch in seinem Vortrag genau diese Fragen. Er reiste mit uns durch das Gehirn und zeigte uns einige äußerst spannende Befunde der modernen „Interruption Sciences“. Sowohl aus Arbeitgeber- als auch aus Mitarbeitersicht sind die Ergebnisse von großem Interesse:

Aus seinem Vortrag:
„Säuglinge von 9 Monaten in den USA schauen bereits ca. 60 Minuten fern pro Tag. Ihre Eltern reden weniger als 10 Minuten pro Tag mit Ihnen. Heute kann man eindrucksvoll zeigen, welche nachhaltigen Auswirkungen das auf die Gehirnentwicklung im Hinblick auf eine spätere Stressanfälligkeit haben kann …“

Aus BWI-Bau-Sicht tritt eine weitere Konsequenz hinzu: Das Lernverhalten der Teilnehmer in unseren Seminaren und Lehrgängen verändert sich.  Lerneinheiten müssen immer stärker fragmentiert werden; Schulen und Studiengänge machen es vor: Auch die Wissensvorhaltung wird in immer kleinere Intervalle zerlegt, nach deren Abfrage in Prüfungen das Wissen nicht mehr vertieft, sondern zu einem erheblichen Teil gegen neue Lerninhalte ausgetauscht wird. Auf der Strecke bleiben jedoch Kompetenzen wie z. B. analytisches und reflektierendes Denkvermögen oder die Fähigkeit zum Transfer von Prinzipien zwischen verschiedenen Disziplinen. Einige Personalleiter aus Bauunternehmen haben uns bereits zu verstehen gegeben, dass sie den generalistisch ausgebildeten Diplom-Absolventen hier doch sehr vermissen.

Aus soziologischer Sicht findet Dr. Volker Busch bemerkenswert, dass sich der Lebenswandel in den Industrienationen stetig erhöht. Wir arbeiten, essen, reisen, lesen und reden schneller. Zeit ist der wertvollste Rohstoff unserer Gesellschaft geworden. Kaum etwas findet heute noch ohne Zeitdruck statt. Genetische Studien können heute belegen, dass Zeit- und Termindruck sogar unser Erbgut schädigen kann. Das Tempo zu reduzieren hat positive Auswirkungen unsere Gesundheit und erhält unsere Produktivität am Arbeitsplatz.

Dabei ist ein konventionelles Zeitmanagement alleine meist wenig hilfreich. Denn heute ist bereits so vieles in unserem Alltag zeitlich „auf Kante genäht“, dass die Optimierungsmöglichkeiten, um sich besser zu strukturieren, begrenzt sind. Nicht Zeit sparen sollte das Ziel sein, sondern lernen, sie stattdessen sinnvoller auszugeben.

In diesem Sinne wünschen wir all unseren Lesern eine entspannte und erholsame Urlaubszeit!

Zur Person:

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Volker Busch ist Facharzt für Neurologie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er besitzt mehrere ärztliche Zusatzbezeichnungen, u. a. Sportmedizin und Ernährungsmedizin, und ist Lehrer für Fitnesssport, Ernährung und Gesundheitsprävention.
Volker Busch ist wissenschaftlicher Leiter der AG Psychosozialer Stress und Schmerz am Lehrstuhl der Psychiatrie der Universität Regensburg. Als Buchautor hat er zahlreiche Publikationen über seine Forschungsthemen veröffentlicht. Geist und Gehirn auf einer wissenschaftlich fundierten Grundlage stehen dabei im Mittelpunkt seiner Inhalte.